Frank Apunkt Schneider: Querfront der Herzen â Die Heimatsehnsucht im deutschen Pop

Seit dem 03.10.1990 wird zurĂŒckgeschossen: Die wiedervereinigten Deutschen haben jener Kultur den Krieg erklĂ€rt, die im 20. Jahrhundert zum Synonym fĂŒr Heimatlosigkeit, Migration und kulturelle Umvolkung geworden ist. Gegen die Ăberfremdungslust durch den wurzellosen Pop setzen sie die âdeutsche PopidentitĂ€tâ, die 1998 auch gleich von der ersten vollstĂ€ndig popsozialisierten deutschen Regierung in die Pflicht genommen wurde. Im Sommer 2015 gelang es erstmals, die Album-Charts â lange Zeit eine fremdlĂ€ndische Enklave in der hiesigen Alltagskultur â zurĂŒckzuerobern: die ersten zehn PlĂ€tze wurden von deutschen Produktionen belegt. Ein Novum! Um Pop zum Soundtrack der geistig-moralischen Sesshaftigkeit zu machen, musste seine Spracheinstellung von Englisch auf Deutsch geĂ€ndert und seine klassischen Themen mit deutscher Ideologie ĂŒberschrieben werden, die nicht mehr hinaus in die Welt und auch nicht zur anderen Seite durchbrechen will. Der Deutschpop der Gegenwart fĂŒhlt sich pudelwohl in der unbedrohlichen und ĂŒberschaubaren Welt der IdentitĂ€ten, der Eigenheime und Herkunftskieze, der Familien, Zweierbeziehungen und alles ĂŒberdauernden Freundschaften; unabhĂ€ngig davon, auf welcher Seite von âWeltanschauungâ er sich zu befinden glaubt: Rechtsrock, Deutschrap und die bunt-statt-braunen Popdeutschen passen perfekt in jene hysterische Sehnsucht nach Heimat und Zu(sammen)gehörigkeit, die die Deutschen gerade um ihren Verstand und den letzten Rest kritischer Vernunft zu bringen droht.
Frank Apunkt Schneider ist unfreundlicher PlattenhĂ€ndler, unfreier Autor und selbsternannter Poptheoretiker, Mitherausgeber der testcard und der deutsche Aussenposten der Kulturbewegung monochrom. Aktuelle Veröffentlichung: Deutschpop halts Maul! FĂŒr eine Ăsthetik der Verkrampfung, Ventil Verlag 2015.
Eine Veranstaltung von associazione delle talpe in Kooperation mit Kulturzentrum Kukoon.
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