Mario Wolf Kritik der entsinnlichten Vernunft. Zur Naturgeschichte von Kultur, Subjekt und Geschlecht

Thursday, 08.06.2023
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Location: Kukoon im Park
Kritik der entsinnlichten Vernunft. Zur Naturgeschichte von Kultur, Subjekt und Geschlecht

Die „Archaik“ innerhalb der modernen Geschlechterordnung sollte eigentlich verwundern. Die Frage warum das Verhältnis der Geschlechter eigentlich so persistent gegenüber progressiven Veränderungen bleibt, beantwortet der Autor anhand der Erkenntnisse der psychoanalytischen und kritischen Theorie. Das Geschlechterverhältnis wird dabei als das Ergebnis der Naturgeschichte der Kultur verstanden.

Die sogenannte Archaik des Geschlechterverhältnisses wird dabei nicht einfach als bloßer Rückfall in vorzivilisatorische Zeiten verstanden. Vielmehr geht es um die Dialektik von Progression und Regression in der geschlechtlichen Ordnung – d. h., die Dialektik der Aufklärung wird anhand des Geschlechterverhältnisses nachvollzogen. Dabei wird gleichermaßen von den Erkenntnissen der Psychoanalyse und denen des historischen Materialismus ausgegangen. So kann geklärt werden, warum die Ehefrau tendenziell doch wieder die Haus- und Pflegearbeit übernimmt, selbst wenn sie bessere Verdienstmöglichkeiten als der Gatte hat und die Ehe einmal progressiver begann. Das Geschlechterverhältnis stellt sich also als relativ persistent gegen ökonomischen Rationalismus dar wie gegen Modernisierungsversuche insgesamt. Da dieser Prozess von den Einzelnen nicht durchschaut wird, reproduziert das Geschlechterverhältnis stets blind ihr archaisches Erbe. Damit steht jeglicher Fortschritt im Bann der Naturgeschichte, der die Grenzen der Veränderungen vorgibt. Allerdings konnte die Menschheit erst durch die Genese der Kultur aus dem Naturzustand heraustreten. Daher produziert die Naturgeschichte auch immer wieder progressive Momente, die über ihre Grenzen hinausweisen. Dies ermöglicht den Blick auf die bilderlose Utopie und der Frage, welche kulturellen Vorraussetzungen es für ein „Jenseits des Geschlechterverhältnisses“ gibt. Die Bedingungen für dieses „Jenseits“, so die These des Buchs, liegt in der Aufhebung des Widerspruchs von Sinnlichkeit und Vernunft begründet. 

Mario Wolf, Dr. phil., studierte Soziologie und Gender Studies an der Georg-August-Universität in Göttingen und promovierte an der Leibniz Universität Hannover.
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Der Senator für Kultur, Freie Hansestadt Bremen