Wolfgang Hien: Naturbeherrschung, Unbestimmtheit, Sorge – Philosophische Betrachtungen zur Pandemie

Freitag, 05.08.2022
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Wolfgang Hien: Naturbeherrschung, Unbestimmtheit, Sorge – Philosophische Betrachtungen zur Pandemie
Wolfgang Hien: Naturbeherrschung, Unbestimmtheit, Sorge – Philosophische Betrachtungen zur Pandemie 
Vortrag und Diskussion
 
Es fällt auf, dass angesichts der Corona-Pandemie in vielen Diskussionen die Teilnehmer*innen sich in kleinteilige Details und Zahlenrabulistik verbeißen und damit Wesentliches aus dem Blick verlieren. Hier kann philosophisches Denken helfen. Philosophie hat von alters her für sich in Anspruch genommen, über das unmittelbar Gegebene hinauszugehen, zu überschreiten, zu transzendieren. Dies gilt vor allem für die Kritische Theorie. Der Vortrag knüpft an Max Horkheimers „Kritik der instrumentellen Vernunft“ an, insbesondere an seine Überlegungen zur Naturbeherrschung. Erinnert wird des Weiteren an Herbert Marcuse und Hans Jonas.
Der mittlere Teil des Vortrages rekurriert auf Werner Heisenberg, dessen Betrachtungen zur Unbestimmtheit wissenschaftlicher Daten sehr hilfreich sein können. Das abschließende Plädoyer für eine mitmenschliche Sorge ist – wie das Gesamtthema des Vortrages – inspiriert vom französischen Phänomenologen, Dekonstruktivisten und Leibphilosophen Jean-Luc Nancy. Wenn Nancy in seinem Buch „Ein allzumenschliches Virus“ von der „Brutalität des Virus“ spricht, so muss dies im Kontext der globalen gesellschaftlichen Naturverhältnisse verstanden werden. Die „Brutalität“ ist zwar auch eine biologische, doch nicht nur: Sie wird verstärkt durch die rücksichtslose Naturbeherrschung und zusätzlich durch die mangelhafte globale Prävention und die mangelhafte globale Gesundheitsversorgung. Neben politischen Maßnahmen ist, Nancy zufolge, eine spirituelle Revolution notwendig, um Würde und Schutz leibkörperlichen Lebens einen höheren Stellenwert beizumessen als Gütern, Macht und Kapital. 
 
Wolfgang Hien ist Arbeits- und Gesundheitswissenschaftler und befasst sich seit den 1970er Jahren mit Geschichte und Kritik der Arbeitsmedizin, die als Herrschaftsinstrument den arbeitenden Menschen entmündigte und zur Höherleistung antrieb.
Veröffentlichung zuletzt: Die Arbeit des Körpers – Von der Hochindustrialisierung in Deutschland und Österreich bis zur neoliberalen Gegenwart, Mandelbaum Verlag, Wien 2018.
 
Eine Veranstaltung des Kulturzentrum Kukoon.

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